Zusammenfassung des Forschungsprogramms
Der unabhängige Zugang zum Weltraum ist für Europa eine wesentliche politische und wirtschaftliche Zielsetzung. Daher arbeiten die europäischen Raumfahrt-Unternehmen, koordiniert durch die nationalen und die europäischen Weltraumbehörden, an der Entwicklung und Produktion der nächsten Generationen von Raumtransportsystemen in verschiedenen Größenklassen. Raumtransportsysteme der kommenden Generation werden weiterhin chemische Raketenantriebe als primäre Antriebseinheiten nutzen, da diese Art von Antrieb auf absehbare Zeit den besten Kompromiss zwischen Entwicklungs- und Herstellungskosten und Leistung bietet. Insbesondere im zivilen Sektor werden diese Antriebe überwiegend mit flüssigen Treibstoffen betrieben. Um in der Konkurrenz zu Anbietern aus den U.S.A., Russland und Asien im Spannungsfeld von Effizienz, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Umweltverträglichkeit bestehen zu können, muss die technologische Entwicklung in diesem Gebiet auf allen Ebenen vorangetrieben werden. Wegen der besonderen Komplexität und extremen thermischen und mechanischen Belastungen können drastische Verbesserungen und innovative Ansätze nur durch eine intensivierte Grundlagenforschung und durch Bündelung der nationalen Forschungskompetenz in einem kollaborativen Forschungsprogramm erreicht werden. Vor diesem Hintergrund wurde der TRR 40 beantragt und im Juli 2008 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft eingerichtet.
Kritische, thermisch und mechanisch hochbelastete Komponenten raketengetriebener Raumtransportsysteme lassen sich gemäß ihrer Funktion und vorherrschenden Wechselwirkungen gruppieren. Für den TRR 40 haben sich folgende Oberbegriffe als zweckmäßig erwiesen: Brennkammer, Schubdüse, Heckströmungen, Strukturkühlung. Heckströmungen und Strukturkühlung sind charakterisiert durch eine Wechselwirkung von Teilkomponenten und sind zentral für den effizienten und sicheren Betrieb von Raumtransportern. Brennkammer und Schubdüse bieten das größte Potential zur Effizienzsteigerung. Da alle Komponenten aber in enger, direkter Wechselwirkung miteinander stehen, setzt die Optimierung oder die grundsätzliche Neukonzeption einer Komponente die Berücksichtigung der Beeinflussung aller anderen Komponenten voraus. Daher ist es nicht sinnvoll, einzelne Komponenten von den anderen losgelöst zu betrachten. Eine solche Vorgehensweise würde zu groben Vernachlässigungen führen und das Ergebnis in Frage stellen.
Aus den beschriebenen technologischen Teilproblemen und der Notwendigkeit zur integrierten Betrachtung der Einzelkomponenten ergeben sich direkt die fünf fachlichen Teilbereiche (TB) des TRR 40:
- Teilbereich A – TB A: Strukturkühlung
- Teilbereich B – TB B: Heckströmungen
- Teilbereich C – TB C: Brennkammer
- Teilbereich D – TB D: Schubdüse
- Teilbereich K – TB K. Schubkammer
Der TB K wächst aus dem in der ersten Förderperiode zur Förderung der engen Kooperation mit dem Industriepartner Astrium (heute: ArianeGroup) angelegten Teilbereich nun zu einem integrativen fachlichen Teilbereich heran. TB K befasst sich mit dem Gesamtsystem „Schubkammer“, bestehend aus Brennkammer und Schubdüse, unter Berücksichtigung von Strukturkühlung und Integration in den Heckbereich des Raumtransportsystems. Zentraler Bestandteil des TB K sind Teilprojekte, die aus Mitteln des Industriepartners und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt getragen werden. Die Düsenströmung und ihre Wechselwirkung mit der Düsenstruktur ist Gegenstand des TB D. Die Düsenströmung ihrerseits wird aber durch die Brennkammerströmung bestimmt, deren detaillierte phänomenologische Untersuchung und numerische Modellierung Gegenstand des TB C ist. Die Untersuchung des Wärmeübergangs und die Analyse neuer Kühlkonzepte für heiße Strukturen in Brennkammer und Düse sind Gegenstand des TB A. Sie sind direkt verantwortlich für die strukturelle Auslegung von Brennkammer und Düse und damit für die Wechselwirkung zwischen Strömung und Struktur in der Düse. Die Außenströmung des Flugkörpers im Heckbereich bestimmt dessen Flugmechanik, steht aber in direkter Wechselwirkung mit der Düsenströmung. Diese Wechselwirkung ist besonders in der frühen Aufstiegsphase kritisch. Die Problematik der Heckströmung und ihre Wechselwirkung mit der Düsenströmung wird in TB B behandelt.
Wissenschaftliche Kernthematik aller Teilbereiche ist die multidisziplinäre Untersuchung nichtlinear gekoppelter Systeme. Die erforderliche Modellbildung basiert auf experimenteller Erkenntnis und Validierung durch detaillierte Simulation. Nach dieser Maßgabe sind die Teilprojekte in den einzelnen TB zusammengestellt. Darauf aufbauend sollen aus detaillierten Modellen effiziente, weniger detaillierte Simulationsverfahren gewonnen werden und schließlich zur Anwendungsreife geführt werden. Die wichtigsten langfristen Ziele des TRR 40 sind: (i) die Entwicklung neuer Schubdüsenkonzepte, (ii) die Etablierung alternativer Treibstoffe und die Brennkammeroptimierung, (iii) die Entwicklung neuer Methoden für die Kontrolle der Heckströmung, (iv) die Entwicklung innovativer Kühlmethoden für Antriebskomponenten. In der zweiten Förderperiode erfolgt nun nach einer explorativen ersten Förderperiode die thematische Fokussierung auf die Schubkammer als System. In einer dritten Förderperiode soll ein experimentell abgestützter virtueller Schubkammer-Demonstrator die Technologie-Entwicklung und Qualifizierung ermöglichen.