Strukturerhaltende Modellreduktion port-Hamiltonscher Systeme
Die numerische Simulation ist ein wichtiges Werkzeug für die Analyse, Auslegung und Regelung komplexer physikalischer Systeme. Ein Großteil der heute eingesetzten technischen Systeme sind multiphysikalischer Natur, d.h. der Energieaustausch zwischen verschiedenen physikalischen Domänen muss berücksichtigt werden (z.B. bei Elektromotoren). Der port-Hamiltonsche Formalismus eignet sich besonders für eine energiebasierte Modellierung und Regelung dieser Systeme. Durch die geometrische Beschreibung mithilfe von (Stokes-)Dirac-Strukturen können mehrere Systeme unterschiedlicher physikalischer Domänen einfach und leistungserhaltend verschaltet werden. Unter Ausnutzung wichtiger Systemeigenschaften wie inhärenter Passivität, erleichtert die Modellierung in port-Hamiltonscher Form den anschließenden Reglerentwurf. Wird der Regler ebenfalls als port-Hamiltonsches System formuliert, kann dem gekoppelten System ein gewünschtes energetisches Verhalten aufgeprägt werden. Dies ebnete unter anderem den Weg für einen Paradigmenwechsel in der Robotik hin zu sicherer Interaktion und Mensch-Roboter-Kooperation.
Bei der Modellierung komplexer Systeme entstehen jedoch häufig Zustandsraummodelle in sehr hoher Dimension, die die Simulation und den anschließenden Reglerentwurf erschweren oder sogar unmöglich machen. Verfahren der Modellreduktion versuchen diese Systeme mit niedrig-dimensionalen Modellen zu approximieren. Im Hinblick auf port-Hamiltonsche Systeme wird neben einer hohen Approximationsgüte zudem die Erhaltung der port-Hamiltonschen Struktur bei der Reduktion angestrebt, um die genannten Vorteile auch für das reduzierte Modell nutzen zu können. Hierbei handelt es sich um konkurrierende Zielsetzungen: Bei herkömmlichen Reduktionsverfahren wird für die Strukturerhaltung ein beträchtlicher Teil der Freiheitsgrade aufgegeben, die dann für eine mögliche Erhöhung der Approximationsgüte nicht mehr zur Verfügung stehen.
Ziel dieses Projekts ist es deshalb, neue Freiheitsgerade in der strukturerhaltenden Modellreduktion port-Hamiltonscher Systeme einzuführen und dadurch Erweiterungen und Ergebnisse der letzten Jahre bei der Reduktion allgemeiner Zustandsraummodelle auf die Klasse der port-Hamiltonschen Systeme zu übertragen. Weiterhin sollen globale, rigorose Fehlerschranken für den Modellreduktionsfehler übertragen und erweitert werden.