Inverse Akustik
Ingenieurwissenschaftliche Problemstellungen werden häufig in Form von mathematischen Modellen formuliert. In Abhängigkeit von vorgegebenen Randbedingungen werden die gesuchten Primärgrößen auf Basis der mathematischen Gleichungen bestimmt. Bei vibroakustischen Problemen kann die Bestimmung der Randbedingungen jedoch sehr aufwendig und komplex sein. Hierfür sind entweder aufwendige Messkampagnen notwendig oder es müssen Abschätzungen für die Randbedingungen getroffen werden, die das Modell verfälschen. Wesentlich einfacher ist es den Schalldruck, also die Primärgröße , an bestimmten Positionen im System zu messen. Diese Messinformation kann anschließend genutzt werden, um das Modell invers zu lösen – also von der Primärgröße zurück auf die Randbedingungen zu schließen. Eine direkte Inversion der Gleichungen fällt in den meisten Fällen auf ein Optimierungsproblem zurück. Trotz diverser Regularisierungsverfahren ergeben sich bei direkten Lösungsverfahren oftmals instabile Lösungen bei vibroakustischen Problemstellungen für die gesuchten Ausgangsgrößen. Eine statistische Beschreibung der gesuchten Ausgangs- sowie Primärgrößen bietet einen erheblichen Vorteil um diese Instabilität zu umgehen.
Am Lehrstuhl für Akustik mobiler Systeme wird deshalb ein Open-Source Lösungstool entwickelt, das auf Basis statistischer Inferenz (Methode von Bayes), jene Randbedingungen und Systemparameter bestimmt, die die höchste Wahrscheinlichkeit haben, damit das zu Grunde liegende Modell die gemessenen Schalldrücke bestmöglich nachbildet. Neben der Implementierung des Tools liegt der Fokus vor allem auf der Beschleunigung des Lösungsverfahrens durch Modellreduktion sowie in der Anwendung des inversen Lösungsverfahrens für andere Forschungsfelder am Institut. Unter anderem wird der Einsatz des Lösungstools zur großflächigen Quantifizierung von Oberflächenimpedanzen, wie beispielsweise in kompletten Fahrzeuginnenkabinen, erforscht. Die Dämpfungseigenschaften unterschiedlicher Materialien können somit iterativ bestimmt und ein zugehöriges Modell optimiert werden. Zudem wird die Lokalisierung von Schallquellen auf großflächigen Strukturen, wie beispielsweise in Flugzeugkabinen, durch eine inverse Bestimmung der Strukturschnelle untersucht. Zusätzlich wird an der Verwendung des Lösungstools zur Bestimmung von Parametern für Ersatzmodelle von porösen Medien oder akustischen Metamaterialien geforscht.